Die Armee der Trolle und ihr Meister

Unser Weltgeschehen wird zweifelsohne durch das Internet beeinflusst.
Wie stark jedoch, ist uns manchmal trotzdem noch nicht in vollem Ausmaß bewusst

Trolle, Trollfabriken… Wie bitte?

In der digitalen Welt ist ein Troll eine Person, die online mit Kommentaren oder Textbeiträgen das Ziel verfolgt zu provozieren.
Eine Troll-Armee oder Trollfabrik bezeichnet die industrielle Produktion von Falschinformationen im Internet zum Zwecke der Manipulation.

Trollfabriken sind vor allem aus Russland bekannt: man stelle sich Büroräume vor, in denen vor allem junge Menschen daran arbeiten, bewusst Fake News und vorgefertigte “Meinungen” online zu verbreiten.Kommentare, Blog Beiträge, Social Media Posts…gut platziert und vor allem in großen Mengen fluten so Fake Accounts und Scheinidentitäten das Internet mit Informationen, die thematisch klar vorgegeben sind.
Weil es sich um Menschen handelt, die diese Texte verfassen, fällt es Internet Diensten schwer, diese als Spam zu identifizieren.

Und genau deshalb sind Trollfabriken in Russland so effektiv.
 Die Frage nach dem Warum ist einfach und komplex zugleich.
Russische Trollfabriken sind ein sowohl innen- wie außenpolitisches Werkzeug, welches zum Zweck der digitalen Einflussnahme eingesetzt wird.

Sie wollen verfälschte Eindrücke einer politischen Stimmungslage erwecken, mit Hilfe von Missinformation Konflikte schüren und verwirren oder einfach Propaganda betreiben.

Die Rolle von Trollfabriken in Russlands Innenpolitik

Wer die Relevanz des Internets in Russland verstehen will, muss einen Blick auf die politische Entwicklung des Landes werfen.
Wer hier versucht Nachrichten zu verifizieren, kann sich nicht auf offizielle Medien verlassen.

Zu stark werden Informationen, die nicht im Sinne des Kremls sind, mittlerweile eingeschränkt.

Eine Opposition ist faktisch nicht vorhanden und auch die Möglichkeit der freien Meinungsäußerung schwindet zunehmend.

So wurden sowohl der unabhängige Radiosender “Echo Moskwy”, wie auch der Fernsehsender “Doschd” dem Vorwurf ausgesetzt, sie verbreiten falsche Informationen.

Vor die Wahl gestellt, entweder im Interesse des Kremls zu berichten oder die Arbeit aufzugeben, stellten beide Sender die Arbeit ein.

Und je radikaler der Kreml vorgeht, umso wichtiger sind alternative Informationsquellen – also das Internet aber auch Nachrichtendienste wie Telegram – um sich bei der Verbreitung von Nachrichten und Informationen der Kontrolle zu entziehen.

Was eine Autokratie wiederum unbedingt verhindert sehen will.

Die staatliche Reaktion sind Trollfabriken: ein Mittel, um oppositionelle und kritische Positionen gegen die russischen Machthaber zu untergraben.

Armee der Trolle

Falschinformationen im Internet: eine lose-lose Situation

Grade in Ländern wie Russland, in denen traditionelle Medien unter extremer Überwachung stehen oder ganz zensiert und verboten sind, spielen Fake News so oder so der Regierung in die Hände.
Soziale Netzwerke, YouTube Kanäle oder andere digitale Medien nehmen in Russland mit der zunehmenden staatlichen Kontrolle über die Inhalte von Fernseh- und Rundfunkstationen einen wichtigen Posten ein.

Sie dienen der unabhängigen Verbreitung von Nachrichten aber auch als Raum für kremlkritische Positionen, die in anderen Formaten nicht oder nur sehr begrenzt geäußert werden können.

Fluten von Falschinformationen im Internet diskreditieren dieses als Informationsmedium und obwohl kritisches Hinterfragen und Quellenkontrolle online natürlich unverzichtbar sind, ist sein Wert für die Bevölkerung autoritärer Staaten nicht ersetzbar.

So wirken Trolle und Trollfabriken in Russland zweifach: sie missinformieren, erwecken irreführend den Eindruck einer breit vertretenen Meinung und schüren gleichzeitig das Misstrauen gegen das Internet, was grade bei Menschen, die der Digitalisierung ohnehin skeptisch gegenüberstehen, Wirkung zeigt.
Ein Misstrauen, dass den Zugang zu Medien, die nicht staatlich kontrolliert sind, langfristig verbaut.

Spread it…über Russlands Grenzen hinaus

Die Trolle machen aber nicht an den russischen Landesgrenzen halt. Warum auch, wenn genauso außenpolitische Interessen online vorangetrieben werden können. 

So hat Russland mit Hilfe der Troll-Armee erwiesenermaßen Einfluss auf die US Wahl 2016 zu Gunsten des späteren Präsidenten Trump genommen.
Ein Vorgehen, dass als Cyberattacke bezeichnet wird und zu einer 2018 erhobenen Anklage gegen zwölf russische Staatsbürger führte.

Dabei ist das Ausmaß eines solchen Vorgehens nie ganz klar: wo und wie wir – oder in dem Fall die US Wähler – von online konsumierten Falschinformationen beeinflusst werden und wie massiv die Konsequenzen auch langfristig tatsächlich sind, ist schwer nachzuvollziehen.

Dass die verbreiteten Inhalte nicht der Wahrheit entsprechen, spielt kaum eine Rolle.
Wir alle wissen, wie einflussreich auch Falschinformationen sind. Ob wahr oder nicht: unser Unterbewusstsein speichert alles Mögliche ab und ohne bewusstes Widerlegen wird daraus ein “habe ich mal irgendwo gehört”.

Online, wo viele Informationen am Rande aufgenommen werden, während wir halb-aufmerksam vorbei scrollen, sind Fake News entsprechend erfolgreich und werden nicht nur konsumiert, sondern auch oft ohne großes Zögern reproduziert.

So sorgen Trollfabriken weltweit für eine verzerrte Realität in der digitalen Parallelwelt.

Beispielsweise wurde schon im Vorfeld des Ukraine Kriegs online der Eindruck erweckt, dass ein nennenswerter Anteil der Stimmen tatsächlich die Ukraine und nicht Russland als den Aggressor in dem zum Krieg eskalierten Konflikt sieht.
In Kommentaren und Beiträgen werden schon lange nicht nur kremlfreundliche Positionen vertreten, sondern es wird zeitgleich auch versucht, den widersprechenden Berichtserstattungen zu diskreditieren.
Reale Umfragen zeichnen ein ganz anderes Bild.
Diese Differenz ist ein Werk der Trolle.

Jewgeni Prigoschin, Herr der Trolle

Der Kreml macht zwar kein Geheimnis aus seiner Abneigung gegen kritische Stimmen.
Trollfabriken in Russland sind trotzdem keine offiziellen Einrichtungen und obwohl feststeht, dass sie Teil von Putins Propaganda Maschinerie sind, bevorzugen sie das verdeckte Arbeiten. Vorhang auf für Jewgeni Wiktorowitsch Prigoschin. “Ein Mensch, der Russlands außenpolitische Interessen mit inoffiziellen hybriden Mitteln durchsetzt” so beschreibt ihn der Investigativ-Journalist Ilja Roschdestwenskij. Und besser könnten Prigoschins Betätigungsfelder kaum zusammengefasst werden. Er war Eigentümer einer einflussreichen, durch Whistle Blower bekannt gewordenen und mittlerweile geschlossenen Trollfabrik in Sankt Petersburg.
Die Firma lief dort unter dem nichtssagenden Namen “Internet Research Agency”. Ein Unternehmen, das Prigoschin international Aufmerksamkeit einbrachte: aufgrund der bereits erwähnten Verwicklungen in die US Wahlen 2016 setzt das FBI eine Belohnung in Höhe einer Viertelmillionen Dollar auf Prigoschin aus.
Die Anklage: “Verschwörung zur Störung demokratischer Prozesse”. Obwohl die Sankt Petersburger Trollfabrik nicht mehr am alten Standort operiert, dürfte feststehen, dass die Trolle unter ihrem Meister weiter fleißig am Werk sind. Aber auch auf anderen, eng mit den Interessen des Kremls verbundenen Gebieten taucht Prigoschins Name auf.
Auf der EU Sanktionsliste steht Prigoschin wegen Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit der Gruppe Wagner – einer russischen Söldnertruppe, die unter anderem in Syrien, der Ostukraine, der Zentralafrikanischen Republik und in Libyen im Einsatz war. Alles in allem ist der Lebenslauf von “Putins Koch” – ein Spitzname, der sich auf die Zeit bezieht, in der Prigoschins Catering Unternehmen Konkord den Kreml kulinarisch versorgte – mehr als bunt.
So hat sich der frühere Häftling unter Putin zum erfolgreichen Unternehmer und Meister illegitimer Außenpolitik entwickelt. Zuletzt war der Herr der Trolle unter anderem zunehmend auf dem afrikanischen Kontinent aktiv. Die selbstauferlegte Aufgabe der Organisation AFRIC, die mit Prigoschin in Verbindung gebracht wird: inoffizielle Wahlbeobachtung.

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